Schwerpunktthema der ÖGPB Projektförderung 2024
Mitbestimmung und Legitimität in Demokratien der Gegenwart
2024 und 2025 werden neben der Nationalratswahl Wahlen zu mehreren Landtagen, Gemeinderäten und zum Europäischen Parlament sowie die AK-Wahl stattfinden. Vor allem auf der Bundesebene sind bereits seit einiger Zeit die Augen auf Umfragewerte und politische Prognosen gerichtet. Nicht wenige haben Angst davor, dass wieder einmal die „falsche“ Partei gewinnen könnte. Es ist zu befürchten, dass der Stehsatz „Wenn alle wählen dürfen, kommt so etwas raus!“ auch nach diesen Urnengängen die Runde machen wird.
Laut einer Market-Umfrage vom September 2023 sind dennoch 58 Prozent der wahlberechtigten Personen in Österreich der Überzeugung, dass demokratische Wahlen für das Funktionieren des Systems wichtig sind – wobei 41 Prozent derselben Befragten meinen, es solle hierzulande eine grundlegende Änderung des politischen Systems geben. Wenn man von rechtsextremen Positionen absieht, die mit „System“ schlicht die Demokratie als solche meinen, sind auch nicht wenige „eingefleischte“ Demokrat*innen mit dem System der Mitbestimmung, der Partizipation an der Herrschaft als Wahlvolk, nicht zufrieden. Einerseits führen diese neben der repräsentativen Spielart zunehmend weitere und umfassendere Formen der Mitbestimmung ins Treffen, vor allem Modelle und Instrumente direkter Demokratie. Andererseits stellt sich die Frage nach der Legitimität: Ist es noch rechtsstaatlich gerechtfertigt, dass mit nur knapper Mehrheit gewählte Parteien durch taktisches Geschick Regierungen bilden, um dann für einen Großteil der Bevölkerung weitreichende Entscheidungen zu treffen? In einer weiteren Umfrage aus dem Sommer 2023 fühlen sich folgerichtig 58 Prozent der Befragten politisch kaum vertreten.
Hinzu kommt – besonders für die Metropole Wien – das fehlende Wahlrecht für die Nicht-Staatsbürger*innen, deren Zahl jährlich zunimmt, wodurch die Rechtmäßigkeit der Mandate/Mandatare auf Basis demokratischer Wahlen immer fragwürdiger erscheint. Zudem ist die Anzahl der Nicht-Wähler*innen ebenso ziemlich hoch. Gemessen an der Bevölkerung vertreten also die gewählten Politiker*innen immer weniger Personen, somit wahrscheinlich weniger Interessen und Gesellschaftsgruppen.
Befinden sich die Demokratien unserer Gegenwart derzeit in einer Legitimitätskrise? Oder sind die aufgezählten Probleme struktureller Natur und betreffen das politische System allgemein? Welche Formen der Partizipation können über die Wahlen hinweg die demokratische Mitbestimmung stärken und die politische Herrschaft besser legitimieren? Muss das Wahlrecht nach wie vor an die Staatsangehörigkeit gebunden bleiben, oder sollte nicht etwa eine Wohnbürgerschaft ausreichen, um Zugang zu Wahlen zu bekommen?
Diese aktuellen, demokratiepolitisch wesentlichen Fragen beschäftigen naturgemäß auch die politische Erwachsenenbildung, die eine der wichtigsten Säulen für eine deliberative Demokratie darstellt. In diesem Sinne sind Projekte gefragt, die über bestehende Beteiligungsmöglichkeiten informieren, einen Prozess öffentlicher Beratschlagung und Diskussion in Gang setzen und/oder weitergehende demokratische Konzepte präsentieren.
Bei der Projektförderung werden etwa 50 % der gesamten Fördermittel an Projektvorhaben vergeben, die sich mit diesem thematischen Schwerpunkt auseinandersetzen. Mit den übrigen 50 % der Mittel werden auch Projekte zu anderen, frei wählbaren Themen der politischen Erwachsenenbildung (gerne auch zu den Schwerpunktthemen der Vorjahre) gefördert, um die Kontinuität der Bildungsarbeit zu gewährleisten.