Schwerpunktthemen
der Projektausschreibung 2018
(A) 30 Jahre „Fall des Eisernen Vorhangs“
2019 jährt sich der „Fall des Eisernen Vorhangs“ zum 30. Mal. Nach dem Ende des Kalten Kriegs und der Auflösung der bipolaren Weltherrschaft prophezeiten manche das „Ende der Geschichte“. Der Wegfall weltpolitischer Gegensätze und ideologischer Konflikte würde die endgültige Durchsetzung von Liberalismus, Demokratie und Marktwirtschaft nach sich ziehen – so die These. Andere wiederum sahen einen „Kampf der Kulturen“ im Vormarsch. Der Krieg in Jugoslawien zeigte, dass das „Ende“ gar nicht so friedlich vonstatten ging wie angenommen. Der „Fall des Eisernen Vorhangs“ trug jedenfalls dazu bei, den europäischen Einheitsgedanken zu verfestigen und den bisherigen Wirtschaftsraum zu einer Europäischen Union auszubauen. Zeitgleich setzte sich der Neoliberalismus in ganz Europa als herrschende Wirtschaftsordnung durch, sodass die Unterwerfung aller Lebensbereiche unter das Prinzip der Wettbewerbsfähigkeit fortan als alternativlos erschien. Die Entwicklung einiger Länder des ehemaligen „Ostblocks“ hin zu autoritären Regimes, die wirtschaftlich und sozial prekäre Lage in den PIIGS genannten europäischen Staaten sowie Ausstiegsszenarien wie der „Brexit“ deuten auf die dunklen Seiten dieses Prozesses hin.
Wo steht Europa 30 Jahre nach dem „Fall des Eisernen Vorhangs“? Wie kann und soll politische Bildung dieses zeitgeschichtliche Ereignis heute mitsamt seinen Folgen aufarbeiten und vermitteln?
(B) Digitalisierung – Arbeitswelt – Bildung
Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir leben, arbeiten und lernen. In der Arbeitswelt sind neue Formen wie Crowdworking und eine zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeit und des -ortes eng mit Digitalisierungsprozessen verknüpft. Beschleunigung, Anonymisierung oder Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Freizeit stellen weitere Auswirkungen dieses Prozesses dar, welcher oft als „Arbeit 4.0“ bezeichnet wird. Einerseits werden mit dieser Versionsbezeichnung negative Aspekte des Wandels assoziiert. Es gibt jedoch auch einen Fokus auf die positiven Potenziale von Digitalisierung für die breite Bevölkerung. So wird unter dem Schlagwort „Gute Arbeit 4.0“ diskutiert, ob und wie Digitalisierung zu einer Humanisierung und Qualitätssteigerung von Arbeit beitragen kann. Unterdessen bleibt das Spannungsfeld zwischen Vernichtung und Schaffung von Arbeitsplätzen aufgrund der Digitalisierung bestehen. Auch im Bildungsbereich verbreiten sich digitale Methoden und Arbeitsweisen. Prägend für die Digitalisierung ist hier das Paradigma, Lernende für den Arbeitsmarkt „fit“ machen zu wollen. Dabei bietet Digitalisierung auch hier positive Möglichkeiten, etwa eine Demokratisierung: Der leichtere Zugang zu Wissen kann gesellschaftliche Teilhabe für sozial ausgegrenzte Gruppen fördern.
Welche sind die Chancen und die Gefahren der Digitalisierung im Bildungsbereich sowie in der Arbeitswelt? Wie kann politische Bildung mit Digitalisierungsprozessen umgehen?
(C) Öffentlicher Raum und Geschlecht angesichts von Flucht und Migration
Frauenbewegungen auf der ganzen Welt führten in verschiedenen Zeiten einen Kampf um den öffentlichen Raum und gegen die Isolierung von Frauen. Dies geschah in jüngerer Zeit durch das Verschieben der Grenzen zwischen Öffentlich und Privat („Das Private ist politisch!“) und somit durch die Sichtbarmachung der Erfahrungen von Frauen. Angesichts von Flucht und Migration ist eine neue Verschiebung der Grenze zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum in europäischen Ländern zu beobachten. Beispielsweise werden Bekleidungsvorschriften wie das sogenannte Burkaverbot mit der „Befreiung und Integration muslimischer Frauen“ gerechtfertigt. Paradoxerweise werden damit verschleierte Frauen ins Private zurückgedrängt, während der öffentliche Raum für sie zu einem unsicheren Ort wird. Der Anstieg der rassistischen Übergriffe nach Inkrafttreten des Burkaverbots verdeutlicht diese Entwicklung. Staatliche Zugriffe auf die Körper von Frauen in Form von Regulierung, Kontrolle und Disziplinierung scheinen sich in Zeiten von Flucht- und Migrationsbewegungen zuzuspitzen.
Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf Geflüchtete, Migrant_innen und allgemein auf Frauen? Was bedeutet sie auf längere Sicht für unsere Gesellschaft?
(D) Medienkompetenz in der politischen Bildung
„Fake News“, Filterblasen und Hasspostings sind seit einigen Jahren in aller Munde. Die damit einhergehende veränderte Mediennutzung stellt unsere Gesellschaft vor neue Herausforderungen und lässt die Frage aufkommen, ob und wie ein kritisches Medienhandeln möglich ist. Bereits in den 1970er-Jahren kam in diesem Zusammenhang der Begriff „Medienkompetenz“ auf. Auf seiner Website definiert das Bildungsministerium den Begriff wie folgt: „Medienkompetenz ist die Fähigkeit, die Medien zu nutzen, die verschiedenen Aspekte der Medien und Medieninhalte zu verstehen und kritisch zu bewerten sowie selbst in vielfältigen Kontexten zu kommunizieren.“ Dieter Baacke unterscheidet vier Dimensionen von Medienkompetenz: Medienkritik (Verfolgen und Analysieren von Entwicklungen in der Medienlandschaft), Medienkunde (Erwerb des Wissens über aktuelle Mediensysteme und technischer Fertigkeiten im Umgang mit Medien), kritische Reflexion der eigenen Mediennutzung sowie Mediengestaltung (Möglichkeiten der Mitgestaltung von Medien). Didaktische Konzepte kritischer Medienkompetenz finden unter dem Schlagwort „Media Literacy“ allmählich Eingang auch in die Erwachsenenbildung.
Wie kann Medienkompetenz im Rahmen der politischen Erwachsenenbildung vermittelt werden?
(E) Sport, Politik und politische Bildung
Sport wird oft als unpolitisch definiert. Dabei gerät in Vergessenheit, dass sich gesellschaftliche und politische Entwicklungen stets im Sport widerspiegeln. Umgekehrt hat Sport Einfluss auf politische Stimmungen, Bilder und Diskurse. Darin spitzen sich nicht selten jene machtpolitischen Problemlagen zu, die außerhalb des Stadions, der Piste oder der Halle einen wichtigen Stellenwert haben. Das naheliegende Beispiel ist die ritualisierte Konstruktion von Identität und Gemeinschaft entlang der Nationen. Aber auch Fragen wie Geschlechterrollen, Behinderungen und Rassismus können im Sport nicht ausgeblendet werden. Des Weiteren geraten bei großen Sportevents (wie den Olympischen Spielen) wirtschaftliche, ökologische und globale Aspekte ebenso in den Blick wie Skandale um fehlende Rechte von Arbeiter_innen oder korrupte Konzerne und Verbände ... Es bleibt die Frage, ob Sport auch ein Ort politischer Bildung sein kann. So spielt etwa der Sportplatz in der außerschulischen Jugendbildung eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Zugang zu schwer erreichbaren Gruppen zu finden.
In welchem Verhältnis stehen Sport, Politik und politische Bildung zueinander? Wie kann Sport in der politischen Bildung thematisiert werden und selbst als Rahmen der Bildungsvermittlung dienen?